Dienstag, 7. Februar 2012

Definition der Unabhängigkeit ist Auslegungssache: Däbritz kritisiert Gutachter

Originalartikel:

Prozess

Mi., 01.02.2012
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Neue anonyme Schreiben aufgetaucht - Däbritz zweifelt Qualifikation der Gutachter an

Prozess : Neue anonyme Schreiben aufgetaucht - Däbritz zweifelt Qualifikation der Gutachter an
(Archivbild) Foto: Jürgen Peperhowe
Münster - Für große Verwirrung sorgt derzeit eine neue Entwicklung im Rufmord-Prozess: Am UKM und am Herzzentrum Duisburg, an dem Sabine Däbritz derzeit Leiterin ist, kursieren offenbar neue anonyme Schreiben. Wie Richter Thomas Mattonet am Mittwoch andeutete, muss Sabine Däbritz kürzlich einen anonymen Brief erhalten haben – angeblich im Namen von Ärzten der Anästhesie am UKM. Uni-Rektorin Prof. Ursula Nelles hat dieses Schreiben inzwischen der Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Von Julia Gottschick

Darin ist die Rede von angeblichen Missständen am UKM, außerdem wird Kritik geübt an der derzeit laufenden Verhandlung. Von diesem Schreiben haben sich die Ärzte der Anästhesie inzwischen durch einen eigenen Brief distanziert. Zum Beweis geben sie an, der anonyme Brief strotze nur so vor formellen Fehlern und der Unkenntnis von Interna am UKM.
 Der Leiter der Anästhesie am UKM versicherte gestern vor Gericht, keiner seiner Mitarbeiter habe das anonyme Schrieben verfasst. „Wir wissen nicht, wer das geschickt hat“, so Prof. Hugo van Aken. Jeder neue Mitarbeiter unterschreibe eine Verschwiegenheitserklärung.

 Van Aken berichtete von Vorfällen im Jahre 2008: Sabine Däbritz sei in Zimmer von Patienten gegangen, die sie selbst nicht behandelte. Sie sei dort laut geworden, habe lautstark Kritik an der Behandlung geübt. „Das konnte ich nicht zulassen, das hab ich unterbunden,“ so van Aken.

 Der Lebensgefährte der Herzchirurgin gab zudem eine ausführliche Erklärung ab, in der er noch einmal die anonymen Schreiben vom Jahre 2008 einräumte. Darüber hinaus habe er die Anzeigen zweier Chirurgen-Kollegen von Sabine Däbritz zur Post gebracht – eine gegen den damaligen Leiter der Herz-Thorax-Chirurgie am UKM wegen Bestechlichkeit, die zweite wegen der Verletzung des Arbeitszeitgesetzes in der Abteilung.

 Die Informationen für seine anonymen Briefe habe er seinerzeit von einem USB-Stick gezogen, der Sabine Däbritz gehörte. Weitere Adress-Fragen klärte er über das Internet.
Bei allen 13 in der Herz-Thorax-Chirurgie des UKM im Jahre 2008 verstorbenen Patienten habe es sich um „tragische, schicksalhafte Verläufe“ gehandelt. Zu diesem Ergebnis ist derweil eine vierköpfige Gutachterkommission der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie gelangt, die Abläufe, Behandlung und Dokumentation am UKM untersucht hatte. „Wir haben keine ärztliche Fehlbehandlung festgestellt“, resümierte der Leiter der Kommission vor dem münsterschen Landgericht.Unser Fazit nach der ersten Hälfte des Artikels wirft einige ungeklärte Fragen auf, die diesen Artikel als nicht wirklich hilfreich erscheinen lassen.

Mediencheck Klartext:

So zum Beispiel die Frage nach dem Kausalzusammenhang, weshalb die erwähnten anonymen Schreiben nicht von den Anästhesiemitarbeitern verfasst sein können. 
Der Leiter der Anästhesie am UKM versicherte gestern vor Gericht, keiner seiner Mitarbeiter habe das anonyme Schrieben verfasst. „Wir wissen nicht, wer das geschickt hat“, so Prof. Hugo van Aken. Jeder neue Mitarbeiter unterschreibe eine Verschwiegenheitserklärung.
 

Dies ist also ein Beweis? Weil jemand eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben hat, sei damit belegt, dass er dagegen nicht verstossen wird. Dieser Gedanke ist schon fast infantil, wenn er nicht so traurig wäre. Somit gibt es keine Betrüger, weil jeder sich ja an unterschriebene Verträge halten muss, es gibt keine Ermordeten, weil Mord verboten ist, es gibt keine Ladendiebstähle, weil Läden ja Anzeigen ankündigen, wenn sie jemand beim Klauen erwischen. Eine echte Schildbürgerlogik, die der van Aken da an den Tag legt.

 Sabine Däbritz schaltete sich gestern erstmals in die Verhandlung ein und zweifelte die chirurgische Erfahrung der beteiligten Gutachter an. Keiner von ihnen sei in der Lage gewesen, bestimmte hochkomplizierte Eingriffe vorzunehmen. „Das ist richtig“, bestätigte der Kommissionsleiter. Auch wisse er nicht mehr, ob er den Vorwurf so genannter Massenblutungen systematisch abgeklärt habe. Richter Thomas Mattonet versuchte gestern, die Schärfe aus der Diskussion zu nehmen. Der Zeuge sei hier heute nicht als Sachverständiger geladen, rief er Däbritz und ihre Anwälte zur Ordnung.

Unser Fazit zu diesem Passus: 
Eine hochqualifizierte Chirurgin, deren Fähigkeiten die der begutachtenden Ärzte weit übersteigen dürften, weist das Gericht darauf hin, dass hier jemand Fälle begutachtet, die er selbst gar nicht operieren könnte, wenn er den Patienten vor sich hätte. Und der Richter hat nichts anderes dazu zu sagen, dass der Zeuge nicht als Sachverständiger befragt werden darf. WAS IST DAS DENN FÜR EINE NUMMER?

Zum Thema TRANSPARENZ:

Dass die Kommission überhaupt gebildet worden war, ging auf das Engagement eines früheren Lehrers von Sabine Däbritz zurück. Selbst ehemaliger Herz-Thorax-Chirurg aus Aachen, hatte der heute 75-Jährige über Däbritz von angeblichen Missständen am UKM gehört. Später erreichte ihn, so sagte er gestern aus, „ein brauner Umschlag mit Patientenfällen aus dem UKM, ohne Namen – nur mit Alter, Diagnose und weiterer Entwicklung.“
Diese Liste habe er begutachtet und 13 Fälle heraussortiert, bei denen er sich sagte: „Da stimmt so einiges nicht mehr, so etwas sollte eigentlich nicht passieren.“ Daraufhin habe er ans Wissenschaftsministerium geschrieben und auf die Bildung einer Untersuchungskommission gedrungen. Dieser hätte er selbst gerne angehört, „um zu sehen, wie das da läuft“. Letztendlich wurde jedoch eine Gutachtertruppe gebildet, deren Mitglieder sich innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie sehr nahe standen. „Für meinen Geschmack war diese Kommission etwas zu familiär zusammengestellt,“ sagte der Arzt gestern aus.
Er selbst habe nicht mit Sabine Däbritz über die 13 Fälle gesprochen, bevor er die Liste ans Wissenschaftsministerium schickte. Auch mit ihrem Lebensgefährten habe er keine Patientenakten diskutiert. Die ihm zugespielten Unterlagen habe er „in den Schredder getan wie alle medizinischen Unterlagen, die ich nicht mehr brauchte“. Er sei von der Deutschen Gesellschaft für Thorax-Chirurgie harsch gerügt worden für seinen Einsatz. Einsicht in die Ergebnisse des Kommissions-Gutachtens seien ihm verweigert worden. „Irgendwann habe ich´s dann aufgegeben.“

Mediencheck meint: Da ist ein Professor, dem Menschenleben nicht egal sind, der sich engagiert und seinen guten Ruf riskiert, der das Wissenschaftsministerium einschaltet, um eine Klärung herbeizuführen.
Dieses bestellt eine schnelle Eingreiftruppe, die in irgendeiner Form jeder mit den zu begutachtenden Ärzten bekannt oder verbandelt sind als "unabhängige Gutachterkommission" ein. Diejenigen, die für die Patienten eine Garantenstellung haben sollten, die Deutsche Gesellschaft für Thorax-Chirurgie, RÜGEN das korrekte Verhalten des Professors sogar noch! Was sie ermittelt haben wollen, bleibt unter ihnen, die Erkenntnisse die sie gewonnen haben, und wie sie diese gewonnen haben, sind ein geheimes Bündel, das sie lediglich als Quintessenz unter Verwendung selbstreferentieller Beweise an die Staatsanwaltschaft und an das Gericht geben mit dem Hinweis "„Wir haben keine ärztliche Fehlbehandlung festgestellt“.
Vielleicht lag es daran, weil man nicht qualifiziert war, um diese Fehler zu erkennen? Vielleicht lag es an den allzu engen Verbindungen zwischen den "unabhängigen" Gutachtern und den zu begutachtenden Verbandskollegen, die untereinander durch eine Art Treueschwur verbunden sind?

Wir meinen: Lasst doch mal Gutachter ran, die nicht zu diesem Staatsapparat gehören, die nicht um ihre Reputation fürchten müssen, die keine Repressalien in Kauf nehmen müssten, wenn sie sich negativ äussern.

So, wie der letzte Arzt, der es gewagt hat, die Aussagen von Prof. Däbritz zu bestätigen...



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